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Schweres Schweigen, leichte Stille

  • Writer: Tee Jay
    Tee Jay
  • Feb 3, 2022
  • 3 min read

Updated: Feb 4, 2022

"Konsequent mündet die Sprachkritik im Schweigen als die letzte noch verbliebene Möglichkeit von Kritik".

- Günther Saße


Wie schön, dass Du den Weg zurück auf meinen Blog gefunden hast. In der vorletzten Woche ging es um Kommunikationsmittel, vor allem aber um die Probleme, die daraus resultieren. Falls Du meinen letzten Beitrag noch nicht gelesen hast, kannst Du das gerne nachholen.


Heute soll es um Sprachreflexion gehen, also dem Bewusstsein, dass sich Sprache von der Wirklichkeit unterscheidet, also quasi um den Zwiespalt, den Sprache und Wirklichkeit aufweisen.


Schon in der Frühromantik und der Romantik hat der Schriftsteller und Philosoph Novalis die Ablösung der Sprache von der "Dingwelt" verbalisiert, wodurch sich eine Forderung nach Autonomie der Sprache ergeben hat. Auch bei dem späten Goethe findet sich die Auseinandersetzung mit den eingeschränkten Möglichkeiten der Sprache, Wahrnehmungen und Empfindungen zu übermitteln.


Doch ist die Sprache nicht in irgendeiner Weise dazu verpflichtet, eben das zu können? Dass wir uns in ihr voll und ganz auszudrücken wissen, unsere Wahrnehmungen und Empfindungen mit anderen teilen zu können? Eben diese Fragen, die im Zuge einer Sprachreflexion von Präsenz sind, eröffnen unweigerlich den Zugang zur Sprachkrise, in der es heute aber noch nicht im vollen Umfang gehen soll [man kann schon sehen, die Grenzen dieser zwei Themen sind sehr fluktuierend].


Wie viele Gedanken machst du dir im Alltag eigentlich über Sprache bzw. das Gesagte?


Kommt es nicht gerade während eines Dialoges zu Missverständnissen, dann muss man sich schließlich nicht allzu sehr mit dem Gesagten auseinandersetzen, schließlich vertrauen wir voll und ganz darauf, dass unser Gegenüber schon weiß, wie wir was gemeint haben. Und das ist gut so, denn unter anderen Umständen wäre ein Gespräch gar nicht möglich.


Aber gibt es in der Sprache nicht gewisse Grenzen? Kann ich mit Sprache eigentlich immer genau das ausdrücken, was ich gerade empfinde, was ich wahrnehme, was mein Bedürfnis ist?


Zu gut kennt man doch den Gedanken, dass man "nicht in Worte fassen kann", wie man sich gerade fühlt. Wie oft ist man einfach "sprachlos" im positiven oder negativen Sinne?


Wieso also stoßen wir immer wieder an Grenzen, wenn es um Sprache geht? Weshalb können wir unsere Empfindungen nicht ausreichend mitteilen, wenn wir doch davon ausgehen können, dass unser Gegenüber selbst schon einmal ähnliche Gefühle [sei es tiefe Trauer, Überwältigung, große Freude etc.] durchlebt hat?


Womöglich resultiert diese Sprachgrenze vor allem aus der Diskrepanz zwischen sprachlichem Ausdruck und begrifflichem Denken sowie der sich der "sprachlichen Definition entziehenden Wirklichkeit", so der Literaturwissenschaftler Cecile A. M. Noble in seinem Werk Sprachskepsis über Dichtung und Moderne.


Der Literaturwissenschaftler Bodo Müller unterscheidet in seinem Werk Der Verlust der Sprache. Zur linguistischen Krise in der Literatur. drei verschiedene Momente dieses Sprachzweifels und nennt an erster Stelle ebenfalls diesen "metaphysischen Zweifel". Vereinfacht gesagt geht es auf der ersten Ebene also um die Erkenntnis, dass man bestimmte Dinge eben "nicht in Worte fassen kann" und sich damit die Grenzen der Sprache erst bewusst macht.


Diese Zweifel treten laut Müller angesichts der "veschliffenen" Alltagssprache auf, welche nur mit "Wortleichen" und "Klischees" hantiere.


"Aufgescheucht von der Abgegriffenheit und Hohlheit des Massenvokabulars, bangt der Dichter um sein Reservat des bedeutungs-vollen Wortes".

- Bodo Müller


Wenn die Sprache also ihre Grenzen hat, wie teilen wir dann eben diese wichtigen, schwerwiegenden Dinge unserem Gegenüber mit, sodass er oder sie uns auch versteht?


Nun, die hier aufgeführten Thesen sind [welch Wunder] ziemlich pessimistisch und schwierig auf unsere Alltagssprache zu beziehen.


Zugegebenermaßen bemerke ich aber tatsächlich hin und wieder eine gewisse "Sprachinflation" in der Alltagssprache, wenn gewisse Worte ihre eigentliche Konnotation verloren haben [z.B. das Wort “Nachhaltigkeit“], da sie in immer wieder unterschiedlichen Kontexten realisiert werden. Gewissermaßen ist - meiner Meinung nach - an Müllers Zitat sicher etwas dran, vor allem, wenn man es im literarischen Kontext liest.


Ich merke schon, das Thema ist zu monumental, um es in einen Blogbeitrag zu quetschen.


Nichtsdestotrotz möchte ich dir, sofern du dich auch gerne mit Sprachreflexion auseinandersetzt, ein paar essentielle Fragen mit ins Wochenende geben: Ist Sprache begrenzt und wenn ja, wo stößt diese an ihre Grenzen? Und vor allem welche Folgen haben mögliche Grenzen für die Literatur?


Hab ein schönes Wochenende!

T.-J.





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